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Und dann erwartete mich Ende letzter Woche schon wieder so ein Tag – aufstehen und nicht mehr wissen, als dass ich mit Rudern in den Tag starten werde. Was sich sonst noch ergeben wird, ist mir zur Zeit, als ich mich im Bett mental auf die Fahrt im Skiff über den Bodensee einstelle, weil rudern, auch wenn es grau und trüb ist, noch nicht klar. Ich gehe aber davon aus, dass ich anschliessend erneut auf den Surfmodus schalten und «das Leben auf mich regnen lassen» werde. (Danke Silke für dein Foto.)

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Der See ist so hoch, wie ich ihn noch nie gesehen habe.

Als ich nach meiner Ruderfahrt am Steg anlege, steht auf der Wiese des Ruderclubs mein Arboner Freund, mit dessen Hilfe ich im April das Insektenhotel realisierte. Er schaut besorgt auf die Wassermasse des Bodensees, die sich bedrohlich dem Land fressenden Pegel nähert. «Seit heute Morgen gilt Warnstufe 4», sagt er. Das zuständige Amt habe zudem die Vorhersage nach oben korrigieren müssen. Die Wasserfläche werde in den nächsten zwei Tagen nicht um 2o Zentimeter, sondern um das Doppelte ansteigen.

Er, der das Hochwasser von 1999 schon erlebte, hat bereits das Notwendige organisiert, um die Barrikade gegen das vordringende Wasser zu bauen. Vor dem Klubhaus liegen Bretter, Plastik, Pfähle, Hammer. Auch Sandsäcke sind geordert. Er alleine, ohne Unterstützung.

Ich packe mit an, helfe und am Abend haben wir – er und ich – das Ziel erreicht. Nicht ohne Stolz schauen wir auf das Erarbeitete, das entstehen konnte, weil mir am Morgen noch nicht klar war, wie ich mein Tagesgefäss füllen werde.

Surf-sei-dank.

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steigender Pegel – Samstag / Sonntag:

zerstören

Eigentlich wollte ich darüber schreiben, wie ich am Wochenende als freiwillige Helferin im Einsatz stand, um während der «PRIDE» für «queerAltern» Flyer zu verteilen, anhand derer auf das Wohn- und Altersprojekt hingewiesen wird und mit dem um neue Mitglieder für den Verein, bei dem ich seit kurzem mitmache, geworben wird.

Ich wollte auch darüber schreiben, wie farbenfroh, freudig und selbstachtend Lesben, Schwule und Transgender Menschen im Umzug durch die Zürcher Innenstadt liefen, um mit der «Gay Pride» daran zu erinnern, dass es Zeiten der Ächtung gab und gegen die Diskriminierung, die es auf Grund der sexuellen Orientierung noch heutzutage gibt, zu demonstrieren.

Auch darüber hätte ich gerne geschrieben, wie Doris und ich am Sonntagnachmittag unseren Freunden beim Besuch der Plattform der «Manifesta 11» von den schönen Seiten der Pride erzählten.

Doch all das gerät in den Hintergrund.

Nachdem ich Doris zum Zug begleitete, lese ich, kaum zu Hause angelangt, vom schrecklichen Massaker. Beim Angriff auf einen Gay-Nachtclub wurden in Orlando mindestens 50 Menschen getötet und ebenso viele verletzt.

Ich kann nicht anders, als Doris, die noch immer auf der Fahrt an den Bodensee ist, telefonieren. Ich muss mit ihr teilen, was mich erschüttert.

Zerstörte Leben. Lebensfrohe Menschen, die ähnlich wie wir unter ihresgleichen zusammen waren – einfach ausradiert, auch wegen ihrer sexuellen Orientierung.

Tränen.

Unbegreiflich, einmal mehr – mit welcher Gewalt Leben Leben zerstört.

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Freude

Wie versprochen, melde ich mich, wenn sich was tut. Und heute (also gestern Freitag) beobachte ich tatsächlich Kundschaft, die im Anflug ist und so beschäftigt mit Entdecken, dass ich sogar fotografieren kann! Tatsächlich besuchen Bienen unter meiner Observation das Hotel, das ich, unter kräftigster Mithilfe meines Arboner Freundes, für sie konstruierte und das nun seit einer Woche in Doris‘ Gärtli steht – «Freude herrscht».

p.s. Diese Wendung wählte Adolf Ogi, als er als amtierender Bundesrat den ersten Erde umkreisenden Schweizer Astronauten Claude Nicollier begrüsste.

Nach diesem kurzen Exkurs in die Schweizer Unterhaltungspolitik folgt nun das Bienen-Paparraza-Bild:

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und noch mit der digitalen Lupe vergrössert:

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entlasten

Als ich ohne in den Aufzug zu steigen, die Treppen vom Keller bis zur Wohnung zügig, fast springend nehme – immerhin sind es drei Stockwerke – überlege ich mir, was bedeutet das, was ich im Keller eben gemacht habe? Ist es Altes auf die Seite legen oder eher Ballast abwerfen? Und ich frage mich gleichzeitig auch, worin besteht eigentlich der Unterschied?

Vielleicht ist es eine Kombination von beidem: von Platz für Lücken lassen und Platz für Neues schaffen durchs Erkennen, dass Zeitepochen gleichbedeutend sind, wie etwas abschliessen oder beenden, was wiederum schmerzlich und trotzdem erleichternd sein kann.

Auslöser dieser Gedankenarbeit war ein banales Füllen des Sammelsacks eines Hilfswerkes mit ausgedienten Schuhen.

Als ich den bis fast zum Rand gefüllten Sack im Keller bis zum Abholtag deponiere, lege ich, quasi als krönenden Abschluss, noch meine Skischuhe dazu! Während Jahren fuhr ich, in ihnen fest verankert, über schneebedeckte Pisten. Seit Jahren lagern sie nun schon unangetastet auf dem Gestell, bevor sie nun im Innern des Sacks zum Entsorgen verschwinden.

Sie haben  ausgedient – altersbedingt. Nicht dass sie zu alt und brüchig wären. Nein, ich fühle mich dafür zu alt; ein Graus nur schon die Vorstellung, mich nach dem Hinfallen wieder aufzurichten! Und somit bleibt Skifahren eine Erinnerung an die Erinnerung.

Wesentlich schwerer habe ich mich dagegen mit einer andern Entscheidung getan, die anders als das nicht mehr Skifahren, innerhalb weniger Tage reifte.

Konkret: Ich war am Planen einer Reise nach Indien. Aber je länger ich mich damit befasste, desto mehr entferne sich das mir unbekannte Riesenland, weil ich mir in meinen Vorstellungen das mehrheitlich alleine Unterwegssein, immer weniger zutraue. Für dieses Land und die von mir gewünschte Reiseart bin ich wohl definitiv zu alt und auch zu verletztlich, so meine Erkenntnis. Viellicht wäre ich dafür auch als 30-Jährige oder 40-Jährige schon zu alt gewesen – aber damals bedrängte mich ganz anderes als diese Frage. Jedenfalls habe ich nun, als bald 65-Jährige, dieses Projekt gestrichen – auch wenn ich noch versucht bin, zu sagen «in dieser Form».

«… in dieser Form»? Produziere ich durch diese Formulierung auf dem Sand des alten Ballasts bereits wieder neuen? Schwingt da eine leise Hoffnung mit? Gibt es nicht genügend andere Alternativen an Schönem und Intensivem?

Weshalb sage ich nicht: Vorbei ist vorbei?  «Vorbei» bedeutet ja nicht einfach «vorbei», sondern ermöglicht, den Blick entlastet auf Neues zu richten.

Ziel

Vorankommen ist, wenn …

Mein Projekt ist beendet und hat die Werkstatt bereits verlassen. Seines ist auf gutem Weg, so weit fertiggestellt zu sein, dass es an seiner vorübergehenden Wirkungsstätte zur Vollendung nur noch zusammen gesetzt werden muss. Dies wird anfangs Juli sein, wenn es gilt, Vögel vor dem Traubennaschen zu verscheuchen.

Und meines, das vorgezogene Geburtstagsgeschenk, steht bereits an seinem Bestimmigsort, in Doris Gärtli.

Was habe ich im Laufe der Woche gelernt? Zum Beispiel, dass eine Anleitung – ob ausgedruckt oder als Film angesehen, nicht genügt. Auch bei dreien blieb es teilweise missverständlich, ob beispielsweise die Löcher der Rundhölzer durchgebohrt werden müssen oder nicht. Einprägsam jedenfalls war der Satz: «Wildbienen lieben keinen Durchzug.» Doch da das Hotel nicht nur Bienen beherbergen wird, gibt es, wenn ich andere Beschreibungen studiere, Insekten, die Durchzug durchaus lieben.

Gelernt habe ich, dass ein Entstehungsprozess seine Zeit braucht. Oder auch, dass die einen Menschen (mein Arboner Freund) die Symmetrie über alles lieben und andere (zum Beispiel ich) die Asymmetrie. Letztlich haben wir uns gefunden in der Gleichmässigkeit und in der Ungleichmässigkeit und beides hat uns vorangebracht, bzw. ans Ziel.

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grandios

Zwar ist diese April-Wetter-Angelegenheit unwirtlich wie selten. Doch wem erzähl ich dies überhaupt. Die meisten sind davon betroffen.

Doch am Ende von Projekttag Nummer 3 ist es einfach anders, nicht was die Kälte und die zwischenzeitlichen Schauer anbelangt. Mein Arboner Freund, der mich heftigst im Voranschreiten meiner Werkarbeit unterstützt (darüber morgen mehr) und ich stehen am Ufer des Bodensees – und wir staunen! Nur gerade einmal EINE Minute liegt zwischen den drei Bildern: Die Natur – einfach nur grandios!

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Projekt

Eine Woche lang werken. Dafür haben mein Arboner Freund und ich eine ganze Woche in unseren Agenden reserviert, nichts anderes geht vor, nichts ausser unserer Projekte, die nur mit gegenseitiger Unterstützung entstehen – wenigstens was das meine anbelangt -, so dass am Ende der Woche zwei Gemeinschaftsprodukte die Werkstatt verlassen werden.

Ohne sein Können geht bei dem, was ich machen will, nichts. Er sägt die Bretter, zeigt mir, wie ich bohren soll. Dreht mit der Maschine die Schrauben in das Holz. Erklärt mir, dass, wer etwas aufs Handwerk gibt, die Schrauben mit Schlitz gleich ausrichtet, selbst wenn sie an einem Ort sind, wo sie nicht gesehen werden können.

Und er wundert sich, dass ich nicht mit der gleicher Präzision meine Aufgabe löse. Der Abstand zwischen meinen Bohrlöchern, um mit Mikadostiften eine Schranke zu konstruieren, variert um Millimeter. Beim Einfügen realisiere ich ganz zum Schluss, dass die Untenseite sogar um ein gebohrtes Loch reicher ist, als die Oberseite. Ihn schauderts und ich bin glücklich über die Unregelmässigkeit, die sich daraus ergeben hat. Doch zufrieden sind wir beide, als wir am Abend des ersten Tages die Werkstatt verlassen und wir freuen uns auf Tag zwei, auf die Fortsetzung unserer Pensionistenprojekte.

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eintauchen

Gestern überlegte ich mir ziemlich lange, welchen Titel ich zum Bild setzen will, als ich letztlich doch noch von «sein» zu «schweben» korrigierte. Und dennoch dachte es auf der Fahrt zum Ort der Abmachung weiter. Warum hatte ich nicht «zwischen» gewählt – zwischen Wasser und Himmel? Oder «eintauchen», da dies viel besser zu meinem Tag gepasst hätte.

Weshalb? Weil mir zum Beispiel am Morgen mein Natel aus der Gesässtasche rutschte und – pluff – nicht irgendwo landete, sondern ins Wasser des WC’s eintauchte. Und ich daraufhin mein iPhone kurzerhand in noch nicht gekochten Basmatireis tauchte, um ihm die frisch bescherte Feuchtigkeit zu entziehen. Dieses Rezept habe ich von meiner Nichte; sie hat unlängst von der erfolgreichen Anwendung erzählt. Wie mein Malheur enden wird, weiss ich noch nicht.

Eintauchen hätte durchaus auch Sinn gemacht in Bezug auf meine derzeitige Beschäftigung. Die vergangenen drei Tage forderte mich die Kameratechnik; manchmal überforderte sie mich auch. Nach langer Pause habe ich nämlich mein Thema wieder aufgegriffen und bin in mein Projekt eingetaucht: alt werden/ alt sein. Ich befrage dazu seit längerem zwei Freundinnen und einen Freund, alle drei um fünf und mehr Jahre älter als ich. Ich tauche ein, indem ich ihnen diejenigen Fragen stelle, die derzeit vor allem mich beschäftigen.

Darum wäre es also ebenso stimmig gewesen, einen andern Titel als «schweben» zu wählen. Und dennoch war es genau der richtige. Der Kommentar meiner langjährigsten Freundin bestätigte mich darin (danke!). Sie schrieb:

«schweben ist eintauchen ist sich verlieren ist alles vergessen ist sich darin spiegeln ist träumen… »