Ich beobachte die zwei alten (oder sind es ältere) Frauen am Tisch. Das Haar der einen ist bereits angegraut, dasjenige der anderen schon weiss. Sie tauschen sich aus, angeregt.
Sie freuen sich, dass am vergangenen Wochenende, das sie wie fast immer zusammen verbrachten, der Schweizer Ruderer im Einer den Weltcup am Rotsee zwar «nur» als Vierter beendete, doch damit immerhin den gesamten Weltcup gewann. Sie reden über dessen Zeiten und stellen bewundernd fest, dass der junge Athlet doppelt so schnell unterwegs ist, als sie, die beiden rudernden Alten, die zusammen auch schon auf dem Wasser Tausende von Stunden unterwegs waren.
Die Frauen blättern sich weiter durch die Lokalzeitung, jede durch ihren Teil – gemütlich und zufrieden. Doch wie könnte es anders sein, als dass die eine auf etwas stösst, dass sie unglaublich findet: Das regionale OpenAir, zu dem sich dieses Jahr wiederum Massen einfanden, hat seine Aktienmehrheit an US-Amerikaner mit dem Argument verkauft, Umweltschutz und Sicherheit des Megaevents könnten künftig nur noch gemeinsam gestemmt werden.
Die eine zeigt der andern ein Foto. Sie dreht dazu die Zeitung und tippt dabei auf den abgebildeten Berg an zurückgelassenen Zelten – Tonnen an Müll, die die Teilnehmenden des OpenAirs produzierten und nicht selber entsorgten, sondern einfach liegen liessen.
Was für eine Welt, sagen beide fast gleichzeitig. Was für eine Gesellschaft, die es sich leisten kann, ein billiges Zelt – irgendwo zu miesesten Bedingungen hergestellt – zu kaufen und einfach wegzuwerfen, mitunter ungebraucht und noch immer in der Originalverpackung.
Die beiden Frauen fragen sich, weshalb wird ein solcher Event noch grösser, gigantischer gemacht. Weshalb nicht einfach eingestellt – basta, fini. Sie sind sich einig. Letztlich geht es ums mehr Kohle machen. Konsequent wäre doch, mit demselben Argument, nämlich «dem Umweltschutz zu liebe», einfach dicht zu machen.
Vielleicht sind die beiden einfach zu alt, denke ich, um dies zu verstehen. Vielleicht sind sie zu fest von ihrer Moral geprägt, als dass sie für Massenveranstaltungen und Fun in Massen Verständnis aufbringen wollen oder können. Kann sein.
Ich überlege mir ernsthaft, ob dem so ist, dass ich, die ältere, 66jährig und meine Lebenspartnerin, 61jährig, von gestern und damit zu alt sind. Möglicherweise. Möglicherweise auch nicht … Jedenfalls sind meine / unsere Wertvorstellungen in vielem einfach anders.