out

Eine weitere Alltagsgeschichte aus der jüngeren Vergangenheit:

«Ja, Sie dürfen stören», sage ich, obwohl ich an Stimme und Telefonnummer sofort erkenne, dass es sich um eine Umfrage handeln muss. Die bemüht, nett klingende Frau erklärt gut verständlich, dass es um eine Befragung zu den schweizerischen Radios gehe. Dieser Hinweis weckt mein Interesse, schliesslich handelt es sich dabei um eine, mir mehr als vertraute Sparte. Ich mache es mir innerlich bequem, stelle mich aufs Antwortgeben ein und warte deshalb gespannt auf die erste Frage.

«Zählen Sie zur Kategorie 15- bis 44-jährig?», fragt die Frau aus Deutschland. – «Nein.»

«Wie alt sind Sie dann?» – «64.»

«Gibt es in ihrem Haushalt Mitglieder, die zu dieser Kategorie zählen?» – «Nein.»

«Ja, dann wär es das bereits gewesen», sagt sie in einem wesentlich schnelleren Tempo. Sie  hängt auf. Ich bin Out; kein Objekt mehr des Interessens – und das, obwohl ich mehr Radio- als TV-Programme konsumiere. Ich ärgere mich. Nur weil ich zur Kategorie der dauerferien gehöre, bin ich noch lange nicht unattraktiv.

Eine Freundin hat mir, dies liegt erst einige Tag zurück, eine ähnliche Geschichte erzählt: Ein Grossverteiler hätte nur bis 64-jährige befragt. Ihre Kategorie – 68 Jahre alt – habe es auf dem Umfragebogen gar nicht gegeben.

Und meine ebenfalls 68-jährige Schwester erzählte mir unlängst ebenfalls, dass sie inzwischen das Gefühl habe, für die Gesellschaft nicht mehr interessant zu sein.

Da sich, wie in «Weisses 2» vom 6.7. beschrieben, die demografische Kurve innerhalb der nächsten dreissig Jahre von einer «Tanne» zu einer «Urne» entwickeln wird, ist nicht zu unterschätzen, dass der immer grösser werdende Anteil an «Alten» nach wie vor eine der (kauf)kräftigeren Kategorien sein wird – ganz abgesehen von den moralischen Werten, die WIR zu bieten haben. Doch möglicherweise ist es bezüglich Alter ähnlich wie bei vielem andern auch: Nachteile, die letztlich auch Vorteile sind, benötigen etwas länger, um erkannt zu werden.

5 Gedanken zu “out

  1. Die meisten Umfragen in Deutschland interessieren sich nur für die Zielgruppe bis 49 Jahre. Man fragt sich, warum ausgerechnet die geburtenstärksten Jahrgänge vor dem Pillenknick, die zudem oft schon geerbt haben nicht mehr von Relevanz sind.

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    1. ja, das leuchtet mir auch nicht ein. ich weiss nur, dass mich menschen, die sich auch ausserhalb der für forschungszwecke interessanten kategorien bewegen, interessieren! zum glück. denn die sind ebenfalls interessant! lieber gruss. barbara

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  2. Könnte sein, dass die Umfragen an Orten mit geringer Lebenserwartung, auch Entwicklungsländer genannt, enstanden sind. Oder von ca. 30-jährigen ForscherInnen, die gerade mal 15 Jahre zurück und ebenso viel nach vorne schauen mögen.
    Am Bodensee, wo es nicht ungewöhnlich ist, über 100 Jahre alt zu werden, sind – zumindest bei der Stadtentwicklung Romanshorn – alle Bevölkerungsgruppen von Bedeutung. Beispielsweise werden im Bildungs- und Bewegungscampus alle Generationen angesprochen und der See ist ohnehin für alle da.

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    1. ja, könnte durchaus sein. allerdings ist in romanshorn das baden an gewissen stellen nicht überall für alle alterskategorien geeignet – vor allem für uns alte gibt es gewisse stellen, die sehr heikel sind (rutschgefahr) – allerdings: eine totale herausforderung, beweglich zu bleiben, was ja auch seine positiven seiten hat. freue mich schon auf den nächsten schwumm! herzlich. barbara

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