Gestern hatte ich Besuch von meiner Wohnungsnachbarin. Wir treffen uns erst im Kaffee, wo’s üppige Torten, feine Patisserie und original italienische Cornettis mit Vanille- und Aprikosenfüllung gibt. Dieser Ort der Verführung befindet sich im Zürcher Kreis 5 und liegt direkt unter meinem Atelier.
Beim Reden fällt ihr auf, dass das Büro eines meiner drei «zu Hause» ist. Nicht zu unrecht. Hier bin ich fast konzentrierter als in der Wohnung neben Kühlschrank und Abstaublappen. Hier denke, lese, schreibe ich und seit jüngstem drucke ich jedes Mal, wenn ich da bin, eine isländische Erinnerung auf Fotopapier und pinne sie an die Wand.
Eigentlich ist mein Büro ein Ort, beziehungsweise einer der Orte, wo ich das Leben als Pensionierte einstudiere.
Gerade heute Morgen habe ich im bereits einmal zitierten Buch «Alt werden ist das Schönste und Dümmste, was einem passieren kann» bezüglich Alter gelesen, was der 80-jährige Artur Rubinstein zur Antwort gab, als er gefragt wurde, wie er es schaffe, noch immer so grossartige Konzerte zu geben. Der Pianist erklärte darauf hin, dass er einerseits sein Repertoire verringert habe und andrerseits die ausgewählten Stücke häufiger übe als früher. Zudem würde er, da er nicht mehr so schnell zu spielen vermöge, einen Kunstgriff anwenden. Vor besonders schnellen Passagen verlangsame er das Tempo, so dass danach die entsprechende Passage im Kontrast als ausreichend schnell erscheine.
«Vereinfachung und Vertiefung» ist u.a. ein Rezept, beziehungsweise eine Schlussfolgerung des Autors.
Meine Nachbarin lacht, als sie das Buch von Reimer Gronemeyer liegen sieht. Und als sie beim sich Umschauen Ré Soupaults Auge am Sucher der Kamera entdeckt, sagt sie: «Dieses Plakat habe ich auch schon gesehen.»
«Ja», antworte ich: «Als du meinen Blog dazu gelesen hast.» Als sie mir zustimmt, freue ich mich erst recht.