Mit individueller Freiheit umgehen zu können, ist nicht nur einfach. Jedenfalls fällt es mir oft schwer, sie als Lebensgeschenk entsprechend wertzuschätzen.
Und andern geht es oft nicht anders.
Als eine meiner Freundinnen bei Doris und mir am Tisch sitzt, findet das Gespräch, das die Hergereiste und ich schon bei unserer Schiffsfahrt über den Bodensee lancierten, seine Fortsetzung. Wir beiden Zuhörenden finden es fast schon absurd, als sie gesteht, dass sie sich kaum getraue morgens um elf Uhr im Pyjama auf dem Balkon eine Zigarette zu rauchen. «Was denken auch die andern von mir», sagt sie, die mit einem Teilzeitpensum noch immer arbeitstätig ist, allen ernstes. Wir lachen zwar alle drei darüber, weil wir wissen, dass es die andern nichts angeht. Wir sind uns allerdings bewusst, wie schwierig es ist, sich von den anerzogenen Konventionen «das gehört sich-das gehört sich nicht» zu lösen.
Auch darüber reden wir.
Mein Ding ist nicht das «Pyjama-Problem», sondern die Freiheit zu haben, die Freiheit einfach zu nutzen. Nur nutzen – an sinnvoll denke ich dabei noch nicht einmal. Und deshalb sage ich, was wiederum die andern zum Lachen bringt: Mich an etwas festbeissen, wie ein Hund an seinem Knochen, nach dieser Leidenschaft würde ich seit der Pensionierung in meinem neuen, strukturbefreiten Leben suchen.
Also doch den Tag mit Strukturen besetzen? Nein, auch das nicht.
Es braucht Doris und meine Freundin, um in unserer Diskussion dabei mitzuhelfen, im Moment, wo alles kaum mehr zählt, ein Absacken in den Pensioniertenblues zu verhindern und mich dennoch zu ermutigen, Knochen hin oder her, die viele Freiheit in meinen dauerferien als Freiheit zu sehen.
Der heutige Tag – wird also erneut zu meinem Übungsfeld! Vielleicht trainiert auch sie das Geniessen der elf-Uhr-Zigarette auf dem Balkon im Pyjama.