Heute morgen sagt erst Doris «oh, nein», dann schiebt sie die Zeitung, die eben erst noch im Briefkasten lag, mir zu, so dass ich sehen kann, was sie soeben entdeckte und sage ebenfalls «oh, nein!», als ich auf der ersten Seite der «Thurgauer Zeitung» die Überschrift zur Meldung lese: «Marlies Schoch ist gestroben».
Marlies Schoch war während 46 Jahren die Wirtin auf der Hundwiler Höhe. Von dort, auf 1300 Metern Höhe, hat man einen Rundblick – zauberhaft wie selten. Und dort oben, eine Art Adlerhorst, ist das Restaurant, das zugleich die Stube von Marlies war und dementsprechend während 365 Tagen geöffnet.
Mitte Dezember 2015 war ich dort. Seit ich den Ort 2001 entdeckt hatte, war er immer wieder mein Ort der Sehnsucht. Im vergangenen Dezember schrieb ich dazu eine Geschichte, über die ich, wie könnte es anders sein, den Titel «Sehnsucht» setzte.
Nun wird sich dieser Ort der Kraft, dessen Stube und Wirtin, für ganz viele ein Stück Heimat war, radikal verändern.
Daran denke ich, als ich zu Doris an diesem Morgen (es war der Dienstagmorgen) sage: «Da verabschiedete ich mich von ihr, so wie immer, und dachte dabei keinen Moment, vielleicht war es das letzte Mal.»
In Erinnerung an Marlies, an die schönen Momente bei ihr auf der Hundwiler Höhe und an meine Übernachtung im Mai, 2010.
Möge sie in Frieden ruhen ! Wie kann man es jemals wissen, wann man sich zum letzten mal von jemandem verabschiedet. Und das ist auch gut so
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Kommt es mir nur so vor, dass in diesem Jahr überdurchschnittlich viele sterben, über deren Tod Traurige und Betroffene im Blog berichten?
Schön, dass du so gute Erinnerungen hast. Wenn es so umgestaltet wird, dass es dir/euch nicht mehr gefällt, müsst ihr euch einen neuen Hort der Sehnsucht suchen.
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liebe clara, es stimmt – ein teil dieses jahres war der tod immer wieder einmal präsent. ja, die sehnsucht findet sicher wieder einen platz an einem ort der kraft. da bin ich mir sicher – wie sagte die hundwiler höhe-wirtin jeweils anteilnehmend: das gute sehen, das schlechte zur seite stellen! lieber gruss. barbara
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Liebe Barbara, dein Artikel hat mich neugierig gemacht, und ich habe noch so manches mehr an Berichten über Marlies Schoch im Netz gefunden. Was für eine tolle Frau! Interessant, auch im Kontext deines Blogs, was sie 2012 in einem Interview gesagt hat: „Jahre spielen keine Rolle“, und dass sie das Altwerden etwas Schönes findet. „Im Gespräch vergeht die Zeit“, schrieb der Journalist, und zitierte Marlies: „Es hat so viele Menschen, für die niemand Zeit hat.“ Sie hatte sie – und das ist wunderbar.
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liebe silke – das stimmt, wann immer ich dort war, hat sie sich zeit genommen. als ich 2010 dort als einziger gast übernachtete, schauten wir am abend zusammen fernsehen. und als ich das letzte mal dort war, wollte sie wissen, wohin ich wandern werde. sie mahnte mich daraufhin zur vorsicht, es liege noch schnee auf dem weg nach appenzell!
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das gute sehen, das schlechte zur seite stellen. das ist ultimativ, human, menschenliebend…
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